Dieser Artikel ist der erste einer zweiteiligen Serie.
Laut eines Berichts von letzter Woche haben chinesische Schiffsabwehrraketensysteme die genaue Position eines US-Flugzeugträgers im Südchinesischen Meer ausgemacht. Es gehört nicht zum guten Ton die genaue Position eines Schiffs im Radar aufzuspüren. Denn das bedeutet, dass man das Schiff angreifen könnte. Wenn die Besatzung des ausgemachten Schiffs nervös wird, könnten sie ihre Raketen auch zuerst zünden. Ich nenne dieses Beispiel, weil in letzter Zeit Stimmen über einen möglichen Konflikt im Südchinesischen Meer laut wurden. Obwohl ich fest davon überzeugt bin, dass es keinen offenen Konflikt zwischen den USA und China geben wird, wären meine Darstellungen unvollständig, wenn ich nicht wenigstens eine flüchtige strategische Analyse anführen würde, wie so ein Krieg zustande kommen könnte.
Es gibt zwei Szenarien. Im ersten
fällt China in Taiwan ein. Im zweiten entscheiden sich die USA dafür, das
Süd- und Ostchinesische Meer zu blockieren und damit Chinas globalen Seeweg zu versperren. Heute möchte ich meine Aufmerksamkeit dem Taiwan-Szenario widmen, morgen der Seeblockade. Ich betone, dass diese Analysen sehr komplex sein, aber einige wesentliche Details nicht einbezogen werden können.
Das strategische Motiv Chinas Taiwan anzugreifen, wäre, eine große Lücke in der Inselgruppe zwischen Okinawa und Malakka zu schaffen. Durch die Übernahme Taiwans plus ein paar kleinerer Inseln im Norden und Süden würde China einen
günstigen Zugang zum Pazifik gewinnen.
Vor allem aber könnte China die neuen Küstenregionen, die das umkämpfte Gebiet nun etwa 1.300 Meilen weiter östlich in den Pazifik verlegen würde, als Standorte für Luft- und Raketenabwehrsysteme nutzen. Das wiederum hieße, dass die chinesischen Raketen dann näher oder in Reichweite von Guam und Anderson Air Force Base wären, zwei kritische US-Luftwaffenstandorte.
Die viel diskutierte chinesische Strategie, Unterwassermienen entlang Taiwans Küsten zu platzieren, würde sich für China auf lange Sicht nicht als günstige Methode zur Kriegsführung auszahlen. Diese Strategie könnte den Handel behindern, aber taiwanesische und amerikanische Flugsysteme wären immer noch in der Lage, chinesische Luftwaffen-, Raketen- oder Marineabwehrsysteme anzugreifen.
Die USA könnte ihrerseits Minen an chinesischen Häfen platzieren
Die Risiken würden die Vorteile überwiegen. Taiwan anzugreifen beinhaltet höhere Risiken, könnte aber gleichzeitig Chinas strategisches Problem lösen, sowohl einen garantierten Zugang zum Pazifik zu erlangen als auch die chinesische Angriffskraft im Pazifik zu stärken.
Taiwan verfügt über etwa 130.000 angriffsbereite Truppen, mit etwa 1,5 Millionen Truppen in der Reserve. Sie sind mit etwa 2.000 bewaffneten Kampffahrzeugen und einer umfangreichen Panzerartillerie ausgestattet.
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Taiwan ist ein kleines Land und selbst bei einem Überraschungsangriff wäre es in der Lage, seine Kräfte zu mobilisieren. Vielleicht würde Taiwan sogar den Angreifer an den Küste besiegen und in einen Bewegungskrieg verwickeln, was zu erheblichen Verlusten beim Gegner führen könnte. Nach der 3-zu-1-Regel müsste China mindestens 390.000 Truppen mobilisieren, um die Streitmacht zu besiegen.
In Taiwan einzufallen würde einen Seekrieg verursachen,
womit China keine Erfahrung hat. Eine außerordentliche und komplexe Koordination der Luft-, Land- und Marineeinheiten sowie logistische Maßnahmen wären notwendig, um so einen Krieg zu führen. Schon die USA hatten diese Probleme im zweiten Weltkrieg.
Egal wie viele Kampflandungsschiffe China einsetzen würde, die Anzahl wäre zu gering, um die Verteidiger zu besiegen. Die Menge der See-zu-Land-Fahrzeuge und die benötigte Zeit, diese zu be- und entladen, würde den Aufbau der Einheiten verzögern. Mit anderen Worten: Es wäre extrem schwierig, die Landezone gegen Attacken der Verteidiger zu schützen, vor allem, wenn diese über eine große Anzahl von Truppen verfügen.
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Gehen wir mal davon aus, dass die Landezone gesichert werden und eine große Einheit dort positioniert werden könnte. Selbst dann sind die angreifenden Truppen immer noch von der Versorgung abhängig, und Versorgung hängt nicht so sehr von den Versorgungsschiffen an sich ab, sondern eher von den Möglichkeiten, Güter zu entladen und sie zu den stationierten Truppen zu befördern.
Angreifende Truppen konsumieren unfassbare Mengen von Gütern und China müsste extrem große Einheiten versorgen. Im Kampf für Frankreich 1944 hätte ein Versorgungsmangel den Feind besiegen können. Die Deutschen waren nicht das Problem.
Die Taiwanesen hätten sehr kurze Versorgungsketten
Unsere Technik heutzutage ist zwar sehr weit fortgeschritten, hat aber noch keine Lösung für folgende Probleme: Soldaten benötigen Nahrung, Munition wiegt mehrere Hundert Kilo und neue Raketen müssen ständig neu geliefert werden. Die Taiwanesen hätten sehr kurze Versorgungsketten in einem Terrain, in dem sie sich auskennen. Die Chinesen müssten aus der Ferne agieren.
Noch lange, bevor die Chinesen überhaupt landen könnten, müssten sie die Kontrolle über Taiwans Luftgebiete gewinnen, um ihre Schiffe sicher an die Küste transportieren zu können. Das ist das klassische Problem der amphibischen Kriegsführung. Ein Kampf um die Lufthoheit und der gleichzeitige Angriff der feindlichen Truppen würde den Überraschungscharakter zerstören.
Würden die Chinesen nach einer anfänglichen Attacke Luftangriffe durchführen, müssten sie ihre Landkräfte und deren Versorgungsschiffe im Stich lassen. China weiß nicht, was die USA dann tun würden, aber sie müssten vom Schlimmsten ausgehen. Und der schlimmste Fall wäre eine umfassender Angriff aus der Luft sowie Attacken durch Schiffs- und Landraketen seitens Amerika.
Wenn China sich dafür entscheiden würde, Taiwan anzugreifen, müssten sie ihre amphibischen Kräfte und den logistischen Aufwand verteidigen. Sie könnten das nur schaffen, indem sie die Lufthoheit gewinnen, und das wiederum könnten sie nur schaffen, indem sie Luft- und Marineabwehr des Feindes mit einem Schlag besiegen.
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Hier spielt der Überraschungseffekt die tragende Rolle. Die erste Attacke müsste dem israelischen Modell von 1967 folgen. Israel überwältigte die ägyptische Luftabwehr mit einem taktischen Überraschungsangriff schon während der ersten Stunde des Krieges. Dadurch konnte Israel die Sinai-Halbinsel einnehmen. Wenn die Anlegestationen eingenommen sowie die amphibischen Schiffe und Versorgungsschiffe versenkt werden können, ist der Krieg verloren.
Sollte China in Taiwan einmarschieren, müsste China den Krieg mit einem effektiven Angriff gegen taiwanesische und amerikanische Seeflotten der Region eröffnen. Der Fokus sollte darauf liegen, die US-Flugzeugträger zu zerstören. Bei einem Überraschungsangriff sollten nicht mehr als zwei Flugzeugträgergruppen im westlichen Pazifik stationiert sein. China sollte dann schon entsprechende Langstreckenraketen günstig positioniert haben, um jede Art von Kriegsschiff zu beschädigen, sowie über Zielerfassungssysteme zu verfügen, die feindliche Schiffe ausmachen können.
Beim ersten Angriff müsste China Taiwans Luftabwehrstationen und Raketenwerfer zerstören
Sie müssten die zwei Flugzeugträgergruppen, die eine direkte Gefahr darstellen, attackieren, und außerdem Guam und Diego Garcia angreifen. Diego Garcia ist eine Insel im Indischen Ozean, auf der strategische US-Bomber stationiert sind. All das müsste China gleichzeitig tun, um potenziellen Warnungen zuvorzukommen.
Die Chinesen wissen jedoch, dass sie das aus zwei Gründen nicht schaffen würden. Erstens ist es schwierig, einen Einmarsch zu tarnen. Die Alliierten haben es geschafft, die Deutschen mit dem genauen Ort des Angriffs zu verwirren, aber es gab keine Möglichkeit, die Aufrüstung geheim zu halten. China könnte die USA mit dem Grund der Aufrüstung verwirren, genauso wie Ägypten es 1973 mit Israel getan hat, aber sie könnten es nicht vermeiden, die US-Kräfte in Alarmbereitschaft zu versetzen.
Das heißt, die Verteidigungssysteme auf Guam und Diego Garcia wären extrem wachsam. In diesem Falle würden die USA und China herausfinden, ob diese Systeme tatsächlich funktionieren. China müsste außerdem versuchen, amerikanische Satelliten zu zerstören und die Vorherrschaft in der elektronischen Kriegsführung zu erlangen, um die USA abzulenken.
China rechnet nicht mit so einem Angriff, um den Feind zu besiegen. Die USA müssten mit Verlusten rechnen. Die entscheidende Frage würde sein, ob die US-Streitkräfte wenigstens zeitweise ausreichend geschwächt wären, sodass die chinesische Luftabwehr die Verladungsstationen, Einmarschtruppen und die Küstenregionen schützen sowie gleichzeitig die taiwanesische Armee mit intensiven Luftangriffen schwächen könnten.
Sollte ein Angriff auf alle Ziele erfolgreich sein und die US-Streitkräfte um 80 Prozent geschwächt werden, wäre es am wahrscheinlichsten, dass die USA nun Verstärkung in die Region schicken würde, um Flugplätze zu reparieren. Gleichzeitig würden die USA alle verfügbaren Flugzeugträgergruppen senden, um ihre Einheiten in Höchstgeschwindigkeit aufzustocken. US-U-Boote würden in den Norden und Süden der taiwanesischen Straße geschickt werden, die China wiederum versuchen würde, zu zerstören.
Das Ziel der chinesischen Streitkräfte wäre, die taiwanesische Armee in weniger als zwei Wochen zu zerschlagen. Das Ziel der USA wäre, U-Boote einzusetzen, um chinesische Streitkräfte nachhaltig zu schädigen, Versorgungsketten zu durchbrechen und die Niederlage der taiwanesischen Truppen hinauszuzögern, bis diese ihre Streitkräfte stabilisiert hätten. In dieser Zeit würden die USA versuchen, China abzulenken.
Das Problem, das China mit einem Einmarsch in Taiwan hätte, ist, dass zu viele Manöver gleichzeitig Erfolg haben müssten. China müsste seine Intentionen geheim halten, um genügend Vorbereitungszeit zu haben und verschiedene Einheiten aufzurüsten. Außerdem müsste China mehrere stark verteidigte Ziele mithilfe von Luftwaffen und Raketen gleichzeitig überwältigen, ohne, dass die Vorhaben derweil aufgedeckt werden würden.
China müsste die Operation beenden, bevor die USA Reservekräfte schicken könnte
Es müssten amphibische Kräfte gegen eigentlich überlegene Einheiten eingesetzt und die Landungszonen gehalten werden, bis Verstärkung geschickt werden könnte. Die Seestraßen müssten kontrolliert werden, um Angriffe von U-Booten, potenzielle Luftangriffe und Minenlegung zu vermeiden. Schlussendlich müsste China die Operation beenden, bevor die USA Reservekräfte in die umkämpfte Region schicken könnte. Sollte irgendeiner dieser Punkte nicht aufgehen, scheitert der Einmarsch.
Das ist nur eine Skizze des Kampfproblems. Der strategische Aspekt ist jedoch valide. China kann Taiwan nicht einnehmen, ohne ein Pearl-Harbour-Szenario zu zeichnen - jedoch ein weit gewagteres, als die Japaner es 1941 vollzogen haben.
Japan hatte einen Grund, Pearl Harbour zu riskieren. Ihre Ölreserven wurden knapp und ihre Versorgungsketten waren wegen der US-Embargos und Einmischung der US-Streitkräfte gestört. Sie mussten handeln. China ist nicht in dieser Position. Deswegen ist es keine wohlüberlegte Option, so einen komplexen Angriff zu riskieren.
Nächste Woche werde ich die Probleme, denen die USA sich stellen müssten, sollten sie Chinas Seewege blockieren, sowie Chinas mögliche Reaktionen in solch einem strategischen Angriff untersuchen.
Lies den zweiten Artikel dieser Serie nächste Woche.
Der Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt.
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