
Mit einer viel diskutierten Gegenüberstellung dreier ganz großer Namen des internationalen Kunstbetriebs tritt Dr. Veith Görner als Direktor der renommierten Hannoverschen Kestnergesellschaft in den Ruhestand. Gursky, Rauch und Wall - zwei der wichtigsten Fotografen unserer Zeit und der Vertreter der Neuen Leipziger Schule schlechthin. Noch nie hat es das gegeben, warum aber dieses Trio hier ausgerechnet in dieser Form zusammenkommt, bleibt bis zum Ende rätselhaft. Das Medieninteresse war derweil enorm. Die großen Tageszeitungen stürzten sich regelrecht auf die Hannoversche Ausstellung, auch weil hier mit "SH I" und SH IV" zwei neue Werke Gurskys Vernissage-Premiere feierten. Rauch und Gurskys waren für die Gruppenausstellung sogar extra an die Leine gereist.
Schwaches Spannungsverhältnis
Sie ist ausgehend von Gurskys Lehmbruck-Bildern entstanden. Räume des Duisburger Lehmbruck Museums hat der 59-Jährige per digitaler Fotomontage mit zeitgenössischen Werken gefüllt- darunter sind ein Dia-Leuchtkasten von Wall und eine Skulptur von Rauch. Das passt originell zusammen. Dass Neo Rauchs zarte Miniaturen seiner schrulligen Typen und Figuren allerdings in den kleinen Kabinetten im Erdgeschoss der Kestnergesellschaft geradezu verschwinden, ist etwas schade. Neben den gigantomanen Fotoformaten Gurskys und Walls kommen sie kaum richtig zur Geltung. Auch das inhaltliche Spannungsverhältnis zwischen Walls inszenierten Individuen aus dem sozialen Abseits und Gurskys hyperrealistischen Panoramen von Menschenmassen Gurskys will sich nicht gerade aufdrängen.
Gursky zwischen Defilee und Hermès-Tower
Schade auch, dass man die typischen Gursky-Bilder nicht als Presseabzug bekommt und due wunderbare Aufnahme "V&R" von 2011, bei der Gursky eine Laufstegszene beim Defilee des niederländischen Couture-Labels Viktor&Rolf einzigartig verdichtet. Zu sehen ist es neben dem Pinterest-Seiten des Künstlers z.B. hier. Faszinierend bleiben vor allem Gursky Arbeiten an sich. In Andreas Gurskys Panorama-Bildern wird der Mensch austauschbar in der Masse. Das gilt für Arbeiterinnen in einer Textilfabrik in Fernost genauso wie für Models auf dem Laufsteg beim Defilee des niederländischen Couture-Label Viktor & Rolf oder Mechaniker beim Boxenstopp in der Formel 1.
Das Bild «SH I» hingegen zeigt Hollywood-Schauspieler Tobey Maguire im erleuchteten Schaufenster des von Renzo Piano entworfenen Hermès-Turmes in Tokio. Melancholisch hebt Maguire die Hand wie zu einem Gruß, draußen im Dunklen steht sein Alter Ego Spiderman. «SH IV» erinnert an eine kitschige Fototapete aus einem Mädchenzimmer der 80er Jahre. Ein Paar umarmt sich unter rosafarbenen Palmen-Silhouetten am Strand. Der Mann entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Iron Man. Beide neuen Werken demonstrieren eine verstörende Fortführung vom visuellen Umgang mit dem Individuum, das hier als Superheld gegenüber überbordender Landschaft und Architektur besonders verloren wirkt. Noch vor Beginn der Ausstellung gab es Wirbel um diese Bilder in Form eines Rechtsstreits mit Hollywood-Anwälten um eine mögliche Urheberrechtsverletzung. Laut Veit Görner konnte die Vernichtung der Fotos in London gerade noch verhindert werden.

Bonbon-Kubismus von Dana Schutz
Das man die wunderschönen, lichtdurchfluteten Räume im ersten Stock dann nicht für die Hauptausstellung genutzt hat, sondern hier parallel den jedoch absolut sehenswerten, farbintensiven Bonbon-Kubismus der amerikanischen Malerin Dana Schutz zeigt, will auch nicht recht einleuchten. Zu sehen gibt es dadurch allerdings mehr als genug. Und die großformatigen Bilder geradezu grotesker Körperdarstellungen haben enormen Unterhaltungswert.

Christina Végh wird ab 2015 Hannovers Kestnergesellschaft leiten
Die Nachfolge als erste Direktorin eines der größten europäischen Kunstvereine wird 2015 die in Zürich geborene Kunsthistorikerin Christina Végh (43) antreten. Végh leitet seit 2004 als Direktorin den Bonner Kunstverein. Sie hat u.a. mit Künstlern wie Ed Atkins, Alexandra Bircken, John Baldessari, Ryan Gander, Charline von Heyl, Judith Hopf oder Christopher Williams gearbeitet. Aktuell bereitet sie Projekte mit Nicolas Party, Gabriel Lester, Haegue Yang und Jana Euler vor. Von 2008 - 2014 war sie im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Kunstvereine (AdKV) kulturpolitisch tätig.
*Dana Schutz sowie GUrsky, Rauch, Wall sind noch bis zum 26. Oktober zu sehen.