
Joko Widodo reißt die Hände nach oben, als er vor seine jubelnden Anhänger tritt. Wenige Stunden zuvor hat das Verfassungsgericht entschieden: Der Einspruch von Prabowo Subianto gegen die Wahl wird abgewiesen. Joko Widodo wird der siebte Präsident Indonesiens.
Ab 20. Oktober wird Joko Widodo offiziell die Geschicke des mit 250 Millionen Einwohnern weltweit größten islamischen Landes lenken. Der Gouverneur der Hauptstadt Jakarta erhielt bei der Präsidentschaftswahl am 9. Juli knapp 53 Prozent der Stimmen. Da der einzige Gegenkandidat, der ehemalige General Prabowo Subianto, Vorwürfe der Wahlfälschung erhob, musste das Verfassungsgericht entscheiden. Einen Monat nach Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses wies es in einem über 3000 Seiten starken Urteil Subiantos Klage in allen Punkten ab.
Anhänger Subiantos wollen Gericht stürmen
Während der sechsstündigen Urteilsverkündung war es am 21. August zu tumultartigen Szenen gekommen, als Anhänger Subiantos versuchten, Barrikaden zu stürmen, um in das Gerichtsgebäude zu gelangen. Die Polizei setzte Tränengas ein und nahm vier Personen fest, 46 Menschen wurden verletzt. Prabowo Subianto selbst erklärte, er werde sich dem Urteil des Gerichts beugen, auch wenn es fehlerhaft sei und der Demokratie schade.
Ausgelassener war die Stimmung unter den Anhängern Widodos. Vor allem viele junge Indonesier stehen hinter ihm. Für sie steht der zukünftige Präsident für Wandel. »Er ist ein Mann des Volkes, der nicht zum Militär oder dem alten Politkader gehört«, sagt etwa die 26-jährige Evie aus Surabaya, der zweitgrößten Stadt des Landes.
Ein wenig erinnert die Stimmung nach der Wahl in Indonesien an die Zeit, als Barack Obama erstmals amerikanischer Präsident wurde. Ihn bewundern sie hier noch immer. Widodo ist erst 53 Jahre alt und damit wie Obama ein bei Amtsantritt vergleichsweise junger Politiker. Und auch gegen ihn wurde im Wahlkampf vom politischen Gegner eine Schmutzkampagne geführt. Während die Republikaner über Obama sagten, dass er kein Amerikaner sei und obendrein Moslem, warf man Joko Widodo das Gegenteil vor: Er sei kein Moslem und zudem auch kein echter Indonesier, sondern Chinese. Widodo veröffentlichte daraufhin seine Heiratsurkunde, aus der Details zu seiner Religion und der Name seines Vaters hervorgehen. Damit wollte er alle Zweifel ausräumen. Der Schritt erinnert an Barack Obama, der im Wahlkampf seine Geburtsurkunde publik machte.
Schwierige Aufgabe für »Jokowi«
Doch den ehemaligen Möbelhändler und Heavy-Metal-Fan Joko Widodo erwartet eine schwierige Aufgabe. Allem voran muss er Indonesiens schwächelnde Wirtschaft wieder auf Vordermann bringen. Das Wirtschaftswachstum beträgt inzwischen nur noch knapp fünf Prozent, so niedrig wie seit 2009 nicht mehr. Vor allem außerhalb Jakartas ist das zu spüren: Die Straßen sind schlecht ausgebaut und die Löhne niedrig. Während selbst junge Indonesier in der Hauptstadt schnell zwischen 400 und 600 Dollar pro Monat verdienen, werden auf der beliebten Ferieninsel Bali oftmals nur Gehälter von 60 bis 100 Dollar gezahlt. Laut Weltbank liegt das jährliche Durchschnittseinkommen landesweit bei rund 4500 Dollar. Im Wahlkampf versprach Widodo daher auch eine Verbesserung der Infrastruktur und eine Steigerung des Wirtschaftswachstums auf über sieben Prozent.
Tania arbeitet als Personalberaterin in Jakarta und wünscht sich vor allem, dass die Währung wieder an Stärke gewinnt: »Der Verfall der Rupien gegenüber dem Euro muss schnell gestoppt werden«, sagt sie. Die 23-Jährige wusste von Anfang an, dass sie für »Jokowi«, wie die Einheimischen ihn nennen, stimmen wird: »Joko Widodo ist ehrlich und intelligent. Über Subianto gibt es zu viele böse Geschichten.«
»Wir Chinesen werden Prabowo Subiantos Rolle im ›blutigen Mai‹ niemals vergessen«, ergänzt Rea. Die 26-Jährige von der kleinen Insel Batam spricht über eine der schlimmsten Ausschreitungen in der indonesischen Geschichte seit der Unabhängigkeit des Landes. Bei den Krawallen im Jahr 1998 wurden landesweit chinesische Geschäfte geplündert, Menschen ermordet und Hunderte chinesisch-stämmige Indonesierinnen vergewaltigt. Subianto, der damals noch General war, wird vorgeworfen, das Militär absichtlich zurückgezogen und so das Blutbad mit verschuldet zu haben. Sein Ziel sei es gewesen, dadurch Nachfolger des später zurückgetretenen Präsidenten Suharto zu werden. Im Jahr zuvor soll er zudem an der Entführung von Studenten beteiligt gewesen sein.
Junge Indonesier erhoffen sich liberale Politik
Von Joko Widodo versprechen sich viele eine offene und liberale Politik. Rea, die inzwischen auf Bali lebt und arbeitet, glaubt etwa, dass er das Glücksspiel nicht verbieten wird: »Auf Bali lieben wir Glücksspiele«, sagt sie. Über 70 Prozent der Balinesen stimmten für den neuen Präsidenten. Auch der Umweltschutz ist für viele junge Indonesier wichtig: »Das Abholzen der Wälder auf Sumatra und Kalimantan muss gestoppt werden«, meint Evie, die selbst gerne das eigene Land bereist. »Die Korruption ist mittlerweile überall in der öffentlichen Verwaltung angekommen.«
Doch auch der siebte Präsident Indonesiens wird nicht zaubern können. Erschwerend kommt für ihn hinzu, dass das Parlament derzeit von Subiantos Parteienbündnis dominiert wird. Wichtige Gesetzesvorhaben Widodos könnten so blockiert werden. Zwar ließen einige Parteien bereits verlauten, dass sie vielleicht das Lager wechseln werden. Doch ob die Hoffnung der indonesischen Jugend tatsächlich aufgeht, muss sich erst noch zeigen. Möglich ist auch, dass schnell Ernüchterung nach den ersten Amtshandlungen Joko Widodos einkehren wird. Das wäre dann immerhin noch eine weitere Gemeinsamkeit mit Barack Obama.