Um den US-Dollar nicht zu mögen, muß man nicht Antikapitalist sein noch Amerikafeind. Man muß nur in einer nordamerikanischen Kleinstadt sein Auto parken wollen, um zu merken: Die US-Währung, im Nebenberuf $ymbol des Schweinesystems, ist in ihrer Kernkompetenz „Geld" weitgehend unbrauchbar.
Es geht damit los, daß die größte von der Parkuhr akzeptierte Münze der Quarter ist. Die Parkstunde kostet 1,50 Dollar, für 4 Stunden werden also 24 Münzen fällig, und jede wiegt knapp 6 Gramm. Alles in allem also etwas mehr als ein Viertelpfund Metallscheiben für einen Vormittag Parken. Die Anzahl der Euro-Münzen, um dieselbe Summe zu begleichen, wäre: 3.
Wer nun vor der Parkuhr in sein Portemonnaie schaut, wundert sich, daß alle Dollarnoten unabhängig von ihrem Wert dieselbe Größe und Farbe haben. Dadurch wird der Barzahlungsprozess zu dem Abzählen von Scheinen aus einem großen Bündel, das wir schon als Kinder vor „Rauchende Colts" nicht verstanden haben - warum nehmen diese Leute nicht einfach zielgerichtet einen Zwanziger aus dem Geldbeutel?
Der kleinste Schein (1 US$) hat einen Wert von 80 Cent und der größte gebräuchliche (20 US$) einen von 16 Euro: In den USA lacht Bargeld nicht, es macht einen wahnsinnig.
Wer nun aus diesen und anderen Gründen ein Ticket für Falschparken erhält, so wie ich im Februar in dem Städtchen Deerfield in Florida, dreht sein Knöllchen erst einmal ratlos in den Händen. Denn es fehlt jeder verständliche Hinweis darauf, wie die 25 Dollar, die da zu zahlen sind, nun zu begleichen wären.
Obwohl das Knöllchen die Form eines Umschlags hat, steht balkendick darauf, dass man kein Bargeld senden solle. Eine Bankverbindung zwecks Online-Überweisung sucht man vergeblich, was allerdings in einem Land, das die Online-Überweisung nicht kennt, nicht verwundert.
So findet man sich am nächsten Morgen im Rathaus des Städtchens wieder und klaubt für die freundliche Kassiererin 25 Dollar aus dem uniformen Geldbündel in seiner Faust. Und auf dem Weg nach Hause passiert man ein paar Kaufläden, die mit ihrer problemlosen, kostenfreien Lohnscheck-Einlösung werben.
Gleichzeitig sind die USA die globale Innovationsschmiede für alternative Bezahlmethoden. Dienste wie PayPal, Square (ein Kreditkartenleser fürs Smartphone), Coin (eine Über-Kreditkarte to rule them all) sowie jede Art von Handy-basierter Zahltechnologie geben seit vielen Jahren den Takt vor, wenn es um die Rechnungsbegleichung der Zukunft geht. All das kommt aus dem Land mit dem möglicherweise rückständigsten und unpraktischsten Geld der Welt.
Es drängt sich auf, dass das kein Zufall ist. Vor kurzem ging der Konflikt zwischen Uber, einem kalifornischen Limousinendienst-Vermittler, und den Taxigesellschaften in Brüssel und Berlin durch die Presse.
Der Urteilsspruch eines belgischen Gerichts, das die unlizenzierte Ausübung von Taxidienstleistungen mit einen Bußgeld von 10.000 Euro pro Fall belegte, empörte Innovationsfreunde und Politiker gleichermaßen; da half es auch nicht, dass diese Summe in Europa wenigstens online überweisbar wäre und nicht persönlich bei der Gerichtskasse vorbeigetragen werden müsste.
Ubers - jüngst mit 1,2 Milliarden US$ VC-Finanzierung ausgestattetes - Geschäft besteht in der Organisation vieler kleiner Limousinenservices und Fahrer zu einem Netzwerk, das per App gebucht werden kann. Wer meint, dass der Unterschied zu regulären Taxibuchungsapps marginal ist, liegt nicht falsch, zumal sowohl hier wie dort meist die vertraute E-Klasse vorfährt.
Wo dieser Unterschied allerdings sehr ins Gewicht fällt, ist in den USA. Denn dort ist die Qualität von Taxidienstleistungen oft miserabel; das allgegenwärtige Taximodell „Ford Crown Victoria" war schon bei Indienststellung 1992 ein Auto, das außerhalb Nordamerikas unverkäuflich war.
Und öffentlicher Nahverkehr ist an vielen Orten unbekannt, unsauber und eine Sache der Unterschicht. Jede neue Option, um von A nach B zu kommen in den Fällen, in denen das eigene Fahrzeug zu Hause bleiben muss, ist entsprechend höchst willkommen.
Anhand dieser Beispiele bestätigt sich: Neue Unternehmen müssen gravierende Probleme lösen, um erfolgreich zu sein. Und auch, wenn Otto Normalnutzer ab und zu den Kopf schüttelt über die eigenartigen neuen Apps, die da aus Amerika kommen: die richtig großen haben eine tiefe Verankerung in Problemen der wirklichen Welt.
Airbnb, das Buchungsportal für Privatunterkünfte, wurde geboren in San Francisco, einer Stadt mit aberwitzigen Mieten, die durch keinerlei staatliche Eingriffe oder sozialen Wohnungsbau gebremst werden.
In einem Land, in dem sich Hauskäufer jahrzehntelang übernahmen, weil Kredit bedenkenlos vergeben wurde - und nun mit ihrem Besitz entweder Geld verdienen müssen, um die Raten zu zahlen, oder verkaufen.
Und obwohl Amazon natürlich auch in Deutschland Einkaufen einfacher macht: Richtig nützlich ist es in einem Umfeld, in dem sogar in den Städten die Entfernung zur nächsten Mall unangenehm sein kann, vom Land ganz zu schweigen.
Das lehrt uns, dass die Vereinigten Staaten auch deswegen so erfolgreich in der post-digitalen Ökonomie sind, die mithilfe von digitalen Werkzeugen das Leben in der wirklichen Welt einfacher machen will, weil sie in vielerlei Hinsicht so unsozial und teilweise sogar rückständig sind.
Wer schon einmal am Straßenrand ein Adopt-a-Highway Schild sah, auf dem die örtliche Buchhaltungsfirma Miller & Sons verkündet, für die Sauberkeit der nächsten paar Meilen Autobahn verantwortlich zu sein, fragt sich: Hat für so etwas die westliche Zivilisation nicht die Straßenmeisterei geschaffen?
Die Antwort ist, dass viele Probleme, die nach unserem Verständnis auf gesellschaftlicher, nationaler Ebene gelöst werden sollten, in den USA dem Privatmann zur Lösung überlassen bleiben. Womöglich ist dieser Umstand, mehr noch als der anders strukturierte Finanzmarkt und die oft zitierte „Kultur des Scheiterns", verantwortlich für die Erfolge des Silicon Valleys.
Europa ist zu zivilisiert; viele Probleme wurden im Konsens gelöst in 130 Jahren Sozialkontrakt, Kooperation der Tarifparteien, Redefinition des Staatsverständnisses nach zwei Weltkriegen.
Das möchte man als Europäer eigentlich begrüßen, aber: Wenn die These stimmt, stehen namentlich die Förderprogramme und Wirtschaftspolitiker mit ihren Versuchen, ein europäisches Silicon Valley zu schaffen, auf verlorenem Posten.
Denn die EU-Ausschreibungen, die von oben ziehen möchten was von unten nicht wächst, sind vor dem Hintergrund der Zivilisationsthese keine Lösung, sondern Bestandteil des Problems. Hinz und Kunz bewerben sich auf diese Millionen-Töpfe, trotzdem die ausschweifenden Antragsverfahren bereits eine neue Dienstleistungsbranche geschaffen haben - die der professionellen Antragschreiber. Immerhin eine.
Aber mit den Mitteln des Konsenses und seiner Bürokratie innovativ und kommerziell erfolgreich zu bleiben, daran sind seit den Römern alle gescheitert, und die Barbaren triumphierten.
Es geht damit los, daß die größte von der Parkuhr akzeptierte Münze der Quarter ist. Die Parkstunde kostet 1,50 Dollar, für 4 Stunden werden also 24 Münzen fällig, und jede wiegt knapp 6 Gramm. Alles in allem also etwas mehr als ein Viertelpfund Metallscheiben für einen Vormittag Parken. Die Anzahl der Euro-Münzen, um dieselbe Summe zu begleichen, wäre: 3.
Wer nun vor der Parkuhr in sein Portemonnaie schaut, wundert sich, daß alle Dollarnoten unabhängig von ihrem Wert dieselbe Größe und Farbe haben. Dadurch wird der Barzahlungsprozess zu dem Abzählen von Scheinen aus einem großen Bündel, das wir schon als Kinder vor „Rauchende Colts" nicht verstanden haben - warum nehmen diese Leute nicht einfach zielgerichtet einen Zwanziger aus dem Geldbeutel?
Der kleinste Schein (1 US$) hat einen Wert von 80 Cent und der größte gebräuchliche (20 US$) einen von 16 Euro: In den USA lacht Bargeld nicht, es macht einen wahnsinnig.
Wer nun aus diesen und anderen Gründen ein Ticket für Falschparken erhält, so wie ich im Februar in dem Städtchen Deerfield in Florida, dreht sein Knöllchen erst einmal ratlos in den Händen. Denn es fehlt jeder verständliche Hinweis darauf, wie die 25 Dollar, die da zu zahlen sind, nun zu begleichen wären.
Obwohl das Knöllchen die Form eines Umschlags hat, steht balkendick darauf, dass man kein Bargeld senden solle. Eine Bankverbindung zwecks Online-Überweisung sucht man vergeblich, was allerdings in einem Land, das die Online-Überweisung nicht kennt, nicht verwundert.
So findet man sich am nächsten Morgen im Rathaus des Städtchens wieder und klaubt für die freundliche Kassiererin 25 Dollar aus dem uniformen Geldbündel in seiner Faust. Und auf dem Weg nach Hause passiert man ein paar Kaufläden, die mit ihrer problemlosen, kostenfreien Lohnscheck-Einlösung werben.
Gleichzeitig sind die USA die globale Innovationsschmiede für alternative Bezahlmethoden. Dienste wie PayPal, Square (ein Kreditkartenleser fürs Smartphone), Coin (eine Über-Kreditkarte to rule them all) sowie jede Art von Handy-basierter Zahltechnologie geben seit vielen Jahren den Takt vor, wenn es um die Rechnungsbegleichung der Zukunft geht. All das kommt aus dem Land mit dem möglicherweise rückständigsten und unpraktischsten Geld der Welt.
Es drängt sich auf, dass das kein Zufall ist. Vor kurzem ging der Konflikt zwischen Uber, einem kalifornischen Limousinendienst-Vermittler, und den Taxigesellschaften in Brüssel und Berlin durch die Presse.
Der Urteilsspruch eines belgischen Gerichts, das die unlizenzierte Ausübung von Taxidienstleistungen mit einen Bußgeld von 10.000 Euro pro Fall belegte, empörte Innovationsfreunde und Politiker gleichermaßen; da half es auch nicht, dass diese Summe in Europa wenigstens online überweisbar wäre und nicht persönlich bei der Gerichtskasse vorbeigetragen werden müsste.
Ubers - jüngst mit 1,2 Milliarden US$ VC-Finanzierung ausgestattetes - Geschäft besteht in der Organisation vieler kleiner Limousinenservices und Fahrer zu einem Netzwerk, das per App gebucht werden kann. Wer meint, dass der Unterschied zu regulären Taxibuchungsapps marginal ist, liegt nicht falsch, zumal sowohl hier wie dort meist die vertraute E-Klasse vorfährt.
Wo dieser Unterschied allerdings sehr ins Gewicht fällt, ist in den USA. Denn dort ist die Qualität von Taxidienstleistungen oft miserabel; das allgegenwärtige Taximodell „Ford Crown Victoria" war schon bei Indienststellung 1992 ein Auto, das außerhalb Nordamerikas unverkäuflich war.
Und öffentlicher Nahverkehr ist an vielen Orten unbekannt, unsauber und eine Sache der Unterschicht. Jede neue Option, um von A nach B zu kommen in den Fällen, in denen das eigene Fahrzeug zu Hause bleiben muss, ist entsprechend höchst willkommen.
Anhand dieser Beispiele bestätigt sich: Neue Unternehmen müssen gravierende Probleme lösen, um erfolgreich zu sein. Und auch, wenn Otto Normalnutzer ab und zu den Kopf schüttelt über die eigenartigen neuen Apps, die da aus Amerika kommen: die richtig großen haben eine tiefe Verankerung in Problemen der wirklichen Welt.
Airbnb, das Buchungsportal für Privatunterkünfte, wurde geboren in San Francisco, einer Stadt mit aberwitzigen Mieten, die durch keinerlei staatliche Eingriffe oder sozialen Wohnungsbau gebremst werden.
In einem Land, in dem sich Hauskäufer jahrzehntelang übernahmen, weil Kredit bedenkenlos vergeben wurde - und nun mit ihrem Besitz entweder Geld verdienen müssen, um die Raten zu zahlen, oder verkaufen.
Und obwohl Amazon natürlich auch in Deutschland Einkaufen einfacher macht: Richtig nützlich ist es in einem Umfeld, in dem sogar in den Städten die Entfernung zur nächsten Mall unangenehm sein kann, vom Land ganz zu schweigen.
Das lehrt uns, dass die Vereinigten Staaten auch deswegen so erfolgreich in der post-digitalen Ökonomie sind, die mithilfe von digitalen Werkzeugen das Leben in der wirklichen Welt einfacher machen will, weil sie in vielerlei Hinsicht so unsozial und teilweise sogar rückständig sind.
Wer schon einmal am Straßenrand ein Adopt-a-Highway Schild sah, auf dem die örtliche Buchhaltungsfirma Miller & Sons verkündet, für die Sauberkeit der nächsten paar Meilen Autobahn verantwortlich zu sein, fragt sich: Hat für so etwas die westliche Zivilisation nicht die Straßenmeisterei geschaffen?
Die Antwort ist, dass viele Probleme, die nach unserem Verständnis auf gesellschaftlicher, nationaler Ebene gelöst werden sollten, in den USA dem Privatmann zur Lösung überlassen bleiben. Womöglich ist dieser Umstand, mehr noch als der anders strukturierte Finanzmarkt und die oft zitierte „Kultur des Scheiterns", verantwortlich für die Erfolge des Silicon Valleys.
Europa ist zu zivilisiert; viele Probleme wurden im Konsens gelöst in 130 Jahren Sozialkontrakt, Kooperation der Tarifparteien, Redefinition des Staatsverständnisses nach zwei Weltkriegen.
Das möchte man als Europäer eigentlich begrüßen, aber: Wenn die These stimmt, stehen namentlich die Förderprogramme und Wirtschaftspolitiker mit ihren Versuchen, ein europäisches Silicon Valley zu schaffen, auf verlorenem Posten.
Denn die EU-Ausschreibungen, die von oben ziehen möchten was von unten nicht wächst, sind vor dem Hintergrund der Zivilisationsthese keine Lösung, sondern Bestandteil des Problems. Hinz und Kunz bewerben sich auf diese Millionen-Töpfe, trotzdem die ausschweifenden Antragsverfahren bereits eine neue Dienstleistungsbranche geschaffen haben - die der professionellen Antragschreiber. Immerhin eine.
Aber mit den Mitteln des Konsenses und seiner Bürokratie innovativ und kommerziell erfolgreich zu bleiben, daran sind seit den Römern alle gescheitert, und die Barbaren triumphierten.