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Ignoriert, belächelt, bekämpft - wie das Neue in die Welt von gestern kommt

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"Der Innovationspsychologe Christoph Burkhardt wird auf dem Generation Y Kongress - Unternehmensführung der Zukunft, am 17. Oktober in Köln sprechen. Frühbucher Anmeldungen für den Kongress sind noch möglich.

Die Besonderheit der Veranstaltung ist, dass überwiegend junge Wirtschafts- und Unternehmensdenker auf der Bühne stehen. Neben Vorträgen können Teilnehmer an Workshops und einer abschließenden Podiumsdiskussion teilnehmen. Weitere Informationen finden Sie bei GEDANKENtanken."



„Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du", sagt Mahatma Gandhi. Wenn auch in einem vollkommen anderen Kontext, können wir uns vorstellen, dass ein Mann dieser Tage ganz ähnliche Gedanken pflegt: Amazon-Chef Jeff Bezos wird attackiert von wütenden Autoren, erst in den USA, jetzt auch in Deutschland. Manipulation von Rankings und Monopolisierung wird Amazon vorgeworfen.

Jeff Bezos bleibt bisher ruhig und spricht wiederholt davon, dass Bücher billiger werden müssen, da sie mit anderen Medien konkurrieren. Abgesehen von der Frage, was die Großmacht Amazon richtig oder falsch macht, stellt sich die Frage, wie es so weit überhaupt kommen konnte. Warum hat Amazon nicht schon früher Aufmerksamkeit erregt?

Warum lassen wir einen Konzern wachsen, der Autoren bedroht, beginnen den Protest aber erst, wenn wir seine Macht zu spüren bekommen? Warum ignorieren und belächeln wir Ideen, aus denen Innovationen und schließlich marktbeherrschende Unternehmen werden, bevor wir sie verzweifelt bekämpfen und meistens verlieren?

Vor wenigen Tagen haben Berliner Taxiverbände rechtlich dafür gesorgt, dass Uber in der Stadt aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht erlaubt wird. Das 2009 in San Francisco gegründete Unternehmen bietet Privatpersonen die Möglichkeit mit dem eigenen Auto Personen gegen Geld von A nach B zu transportieren, was Taxis eben tun.

In München, Frankfurt, Hamburg und Düsseldorf sind Uber-Taxis bereits im Einsatz und vermutlich ist das auch in Berlin nur eine Frage der Zeit. Am 11. Juni 2014 hatten Londoner Taxifahrer die gesamte Innenstadt lahmgelegt, aus Protest gegen Uber. Weltweit schlossen sich Taxiverbände an. Unbestritten stellt Uber eine akute Bedrohung für Taxifahrer in der ganzen Welt dar. Wieder stellt sich die Frage, wie es soweit kommen konnte.

Erst ignoriert, dann belächelt und schließlich mit rund 17 Milliarden US-Dollar bepreist ist Uber heute mehr wert als Audi und BMW zusammen. Es ist schwer vorstellbar, dass dieses 5 Jahre alte "StartUp" in absehbarer Zeit aufgehalten wird und aufgibt. Wie kommt es, dass Taxiverbände erst jetzt reagieren? Ist es wirklich unvorhersehbar, wann, wo und wie diese disruptiven Businessmodelle zuschlagen und ihre Opfer fordern?

Als Kognitionspsychologen interessiert mich, wie Menschen aus den Informationen, die ihnen zur Verfügung stehen ihre Schlüsse ziehen, Vorhersagen wagen und Entscheidungen treffen. Beim Bewerten von Ideen, beim Abschätzen von Zukunftspotenzial und Machbarkeit von Innovationen sowie beim Vorhersagen von Trends nehmen wir Menschen mentale Abkürzungen und schätzend die Lage oft völlig falsch ein.

So kann es passieren, dass wir fälschlicherweise aus der Tatsache, dass es schon immer Taxis gab, schließen, dass es auch immer Taxis geben wird. Oder dass es immer Bücher geben wird, die von Verlagen betreut werden. Eine Ursache für unsere Überzeugungen liegt in unserer Fixiertheit auf Muster.

Menschen sehen Muster und Strukturen, wo oft gar keine sind. Wenn wir zurückblicken auf die vergangenen Jahrzehnte voller Innovationen, scheint es so, als ob alles genau so kommen musste, wie es heute ist. Die Entwicklung des Internets war die logische Antwort auf unser Bedürfnis globaler Vernetzung, Google war die Reaktion auf einen unübersichtlichen Wust aus Informationen, in dem man ewig suchen musste um etwas zu finden und Facebook war der logische nächste Schritt der sozialen Vernetzung online.

Eine Idee baut auf der nächsten auf und die einzelnen Stufen hätte man doch vorhersehen können. Unser Gefühl einer logischen Abfolge von Events und einer Sinn erfüllenden Konsistenz in unserer Ideengeschichte ist zum großen Teil Illusion, die schon dadurch deutlich wird, dass tatsächliche Entwicklungen kaum vorhersagbar sind. Selbst den Zusammenbruch des globalen Finanzmarktes in 2008 hatte - mit wenigen Ausnahmen - kaum jemand vorhergesehen. Im Nachhinein aber erscheint es vollkommen logisch, dass es zum Zusammenbruch kommen musste. Hindsight Bias heißt diese kognitive Verzerrung in der Psychologie.

Wir finden in vergangenen Events eine Logik, die uns so plausibel erscheint, dass wir aus ihr eine Vorhersage wagen, was als nächstes passiert. Besonders Experten liegen mit ihren Vorhersagen oft daneben, sind sich aber sicher, dass sie Recht haben.

Der Status Quo Bias sorgt dafür, dass wir den gegenwärtigen Stand der Dinge als gut empfinden und jede Änderung als Verlust. Gleichzeitig sorgt der Confirmation Bias dafür, dass wir nach Belegen suchen, die unsere Sicht der Dinge bestätigen und wir ignorieren, was dagegen spricht. Wishful Thinking gibt dem Ganzen den Rest und sorgt dafür, dass wir uns lieber mit dem beschäftigen, was hoffentlich passieren wird als mit dem, was wahrscheinlich passiert.

Wird es in naher Zukunft noch Fernseher geben? Oder wird Netflix den globalen Markt erobern? Wird es noch gedruckte Bücher geben oder killt Amazon diese Sparte irgendwann? Werden wir so lernen wie wir es heute tun? Wird es Universitäten und Schulen noch geben? Oder lösen MOOCs diese Systeme ab? Wird AirBnb die Hotelindustrie zerstören? Nur weil wir uns einen Zustand der Welt schwer vorstellen können, heißt das nicht, dass er nicht eintrifft.

Es bedeutet nicht einmal, dass diese Zukunft unwahrscheinlicher ist als eine, die wir uns vorstellen können. Unser Gehirn ist nicht dafür gemacht, solch komplexe Vorhersagen zu machen. Es ist dafür gemacht, mit ihnen zu leben. Wir sind programmiert neue Ideen zu ignorieren, sie dann zu belächeln, sie möglicherweise zu bekämpfen und letztendlich zu denken, dass es ja so kommen musste. Die Aufgabe meiner Generation ist es - mehr denn je zuvor - unser eigenes Denken zu hinterfragen und unseren Prognosen und Einschätzungen zu misstrauen.

Wir leben in einer Zeit, in der Institutionen wie Tageszeitungen, Verlage, Universitäten, Taxis, Videotheken und Hotels von heute auf morgen verschwinden können und wir das im Nachhinein für unausweichlich halten. Ob wir das gut oder schlecht finden, sei dahin gestellt. Aber wenn wir unsere Zukunft gestalten wollen, dann müssen wir damit anfangen unser eigenes Denken zu ändern und beginnen uns das Unvorstellbare vorzustellen.

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