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Vollzugsdefizit in der Finanzaufsicht

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Während die USA eine Milliardenstrafe nach der anderen verhängen, lassen wir die Banken billig davonkommen - obwohl sie massive wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden angerichtet haben. Warum nur?

In den USA geht es Schlag auf Schlag. Kaum eine Woche in diesem Sommer verstreicht, ohne dass neue Milliardenstrafen gegen Banken verhängt werden. Wie Ende August bekannt wurde, zahlt die Bank of America die Rekordsumme von 16,65 Milliarden Dollar, weil sie im Vorfeld der Finanzkrise riskante Geldprodukte verkauft hat.

Auch Goldman Sachs, JP Morgan Chase, die französische Großbank BNP Paribas und einige andere Geldhäuser müssen im Rahmen aktueller Vergleiche Milliarden berappen. Damit ahnden die US-Behörden verschiedene dubiose Geschäftspraktiken.

Und auf unserer Seite des Atlantiks? In Europa, insbesondere Deutschland, kommen Banken, die Zinssätze beeinflusst, riskante Produkte verhökert oder Steuerhinterziehern geholfen haben, mit weit niedrigeren Beträgen davon. Allzu oft können sie sich aus der Portokasse freikaufen.

Selbst die Summe von 725 Millionen Euro, zu der die EU die Deutsche Bank 2013 wegen kartellartiger Absprachen bei Zinssätzen verdonnert hatte, nimmt sich im Vergleich mit den USA äußerst bescheiden aus. Hier dürfte allerdings demnächst noch ein Bußgeld der Finanzaufsicht BaFin hinzuaddiert werden, die ihre Untersuchungen bald abschließen will.

Doch wer auf einen der Schwere des Vergehens angemessenen Betrag hofft, dürfte bitter enttäuscht werden: Die BaFin gebärdet sich allzu oft wie ein zahnloser Tiger. Strafen gegen Banken liegen in der Regel unterhalb der Grenze von 10 000 Euro, nur hin und wieder wird ein fünfstelliger Betrag fällig.

Auch wenn die Finanzaufsicht ihre Leitlinien zuletzt verschärft hat und im Fall der oben geschilderten Manipulation vielleicht über das bisherige Niveau hinausgehen sollte, muss man feststellen: Strafen, Bußgelder und Geldauflagen für Banken stehen hierzulande oft in keinem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Schuld.

In Blickrichtung auf den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schaden, den speziell die großen Geldhäuser mit ihren Geschäftspraktiken angerichtet haben, liegt überhaupt keine vernünftige Relation vor.

An den mit hoher krimineller Energie manipulierten Leitzinsen - vor allem Libor und Euribor - orientieren sich weltweit die Sätze von Finanzprodukten, Derivaten und Krediten. Die Kreditinstitute strichen astronomische Gewinne ein. Privatkunden, Kommunen, Unternehmen und kleine Banken wurden hingegen massiv geschädigt.

Auf die Verluste, die Sparern durch massenhafte, provisionsgetriebene Falschberatung entstanden sind, will ich an dieser Stelle gar nicht näher eingehen.

Das Beispiel macht deutlich, dass wir in Deutschland ein gewaltiges Vollzugsdefizit bei Straftaten, Ordnungswidrigkeiten und Pflichtverletzungen im Bankensektor aufweisen. Denn wir lassen nicht nur die Banken selbst billig davonkommen - auch die handelnden Manager können wegen hoher straf- und zivilrechtlicher Hürden oft nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Eines hat die aktuelle Prozesswelle im Zuge der Finanzkrise deutlich gezeigt: die Verantwortlichen - z.B. von BayernLB, HSH Nordbank & Co. - wurden häufig freigesprochen; allenfalls mit geringen Geldbußen belegt.

Die Bundesregierung muss angesichts dieser bedenklichen rechtsstaatlichen Entwicklung endlich reagieren. Sie hat sicherzustellen, dass Kreditinstitute ihre irregulären Erträge nicht behalten dürfen - zumal viele Geldhäuser inzwischen wieder gut dastehen. Dazu sollten wir uns an den USA orientieren: Dort können nicht nur Personen, sondern auch Unternehmen bestraft werden, während sie hierzulande bloß Bußgelder für „Ordnungswidrigkeiten" fürchten müssen.

Zudem berücksichtigen die US-Behörden bei Strafen und Vergleichszahlungen die Höhe des Schadens, der angerichtet wurde und berechnen somit folgerichtig größer dimensionierte Ausgleichszahlungen.

Summen, die übrigens sinnvoll eingesetzt werden: etwa zur Finanzierung eines besseren Verbraucherschutzes oder für Infrastrukturprojekte. Hierzulande verzichten die Großkoalitionäre auf diese Einnahmequelle und denken derzeit lieber darüber nach, freiwillige Anreize für Banken und Versicherer zu schaffen, in Straßen und Stromtrassen zu investieren.

Meines Erachtens sollte die Bundesregierung vernünftigerweise ein anderes Projekt vorantreiben: nämlich die Verabschiedung des Unternehmensstrafrechts. Diese Maßnahme ist angesichts des immer dramatischer zu Tage tretenden Vollzugsdefizits im Bereich Wirtschaftskriminalität überfällig. Sobald wir ebenfalls Konzerne strafrechtlich belangen - und nicht nur für „Ordnungswidrigkeiten" zur Kasse bitten - können, sind in der Konsequenz höhere Geldbußen zu erwarten.

Ein erster Vorschlag aus Nordrhein-Westfalen liegt seit langem auf dem Tisch. Die vonseiten der Wirtschaft gebetsmühlenartig wiederholte Warnung vor der „Todesstrafe für Unternehmen" führt in die Irre: Es geht nicht darum, Banken in den Ruin zu treiben. Sondern darum, unrechtmäßig erwirtschaftete Gewinne abzuschöpfen und der Gesellschaft zurückzugeben.

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