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Der Urlaub ist schon wieder rum? Die Zeit nach hinten wird kürzer.

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Wieder ein Jahr vorbei, mir läuft die Zeit davon. Jetzt wird's aber höchste Zeit. Diese Aussagen kennen wir alle. Daran sind wir aber selbst Schuld. Die erste Woche im Urlaub zieht sich wie ein Gummiband, die zweite Woche rast an einem vorbei und der Urlaub daheim beim Wäsche waschen ist dahin.

Während sich früher ein Jahr noch wie ein Jahr anfühlte, fragt Franz Beckenbauer bald wieder, "Ist denn schon wieder Weihnachten?" Die vergehende Zeit dehnt sich, wenn wir Ereignissen entgegenfiebern. Für ein Kind sind Wochen vor Weihnachten endlos lang. Ab Heiligabend rennt die Zeit unaufhaltsam Richtung Sylvester. Ab September liegen Schokoladen Weihnachtsmänner in den Regalen.

Steht die Wahrnehmung in Relation zum Alter?

Rentner haben das Gefühl, die Uhren tickten plötzlich wieder langsamer, wenn sie in den Ruhestand gehen und die Welt beispielsweise im Reismobil neu entdecken.

Das Gedächtnis ist entscheidend für die Zeitwahrnehmung. An je mehr Ereignisse wir uns erinnern, desto länger kommt uns eine Zeitspanne vor und man hat etwas zu erzählen. "Wer viel erlebt, erzählt viel. Wer wenig erlebt, erzählt wenig.

Auf unseren AIDA Schiffen, auf welchen ich seit über 15 Jahren als Keynote Speaker tätig bin, erlebe ich folgendes Phänomen an Bord immer wieder. Meine Einsätze dauern in der Regel 2-4 Wochen. Sobald die Hälfte aber rum ist, rennt die Zeit. Am Anfang bewältigt unser Gehirn die oft sehr lange, anstrengende Anreise.

Man erkundet das schöne Schiff und erlebt dabei sehr viel. Alles ist neu. Ah und oh, alles toll. Nach ein paar Tagen schleichen sich Gewohnheiten ein. Gäste reservieren Frühmorgens an Seetagen ihre Liegen. Es geht zum Frühstück. Der Urlauber legt sich ab und wartet aufs Mittagessen. Danach wirft man sich abermals hin, macht Bronze, liest ein Buch und wartet bis zum Nachmittag mit Koffein Augen sehnsüchtig auf Kaffee und Kuchen.

Trottet erneut zu seiner Liege, geht vorher noch zur Bar und läutet geschmeidig mit einem Bier den Abend ein. Irgendwo auf der Welt ist schliesslich immer 17:00h. Duschen, allein, vielleicht zu Zweit, ab zum Abendessen. Boutique Rundgang, Fotoshop, Theater, evtl. noch Disco und ab in die Kabine Fernsehen. Plötzlich ist die Reise viel zu früh vorbei. Manche gehen sogar nie von Bord.

Muss das so sein? NEIN!

Was im Laufe eines Urlaubes passiert, lässt sich nämlich auf das Leben daheim übertragen. Die vielen ersten Male, die man als junger Mensch erlebt, bleiben stark in Erinnerung. Der erste Kuss, der erste heftige Sex, die erste Zigarette, die erste Wohnung, das erste eigene Auto oder Gehalt. Alles hat Bedeutung.

Ist man dann in einer längeren Beziehung, geht jeden Tag zur Arbeit, macht womöglich immer den gleichen Urlaub, vielleicht am gleichen Ort, zur gleichen Zeit, verfliegt die Zeit im Nu. Warum? Weil das Gehirn, Deine Festplatte, sich furchtbar langweilt. Es passiert nichts aufredendes mehr. Alles ödet, nervt und kotzt einen an.

Mit zunehmendem Alter werden wir Menschen fauler und sind, wie aus der Entwicklungsneurobiologie bekannt ist, weniger offen für Neues. Doch je mehr Neues und Emotionales man erlebt, desto mehr prägt sich im Gedächtnis ein und desto stärker entschleunigt sich das Leben rückblickend.

Das bedeutet: Jeder kann die gefühlte Zeit abbremsen. Der Schlüssel dazu ist, sich wieder für Spannendes zu öffnen und noch einmal "viele erste Male" zu erleben.

Macht Ausflüge, plant nicht alles, geht allein in fremde Städte und erkundet wie ein Abenteurer neue Länder und Kulturen. Nutzt die Zeit an Bord oder im Hotel für Weiterbildung. Lauscht klugen Lektoren und lasst Euch Land und Leute erklären. Zwischen Tradition und Moderne. Bleibt nicht nur am selben Strand. Geht in Kneipen und unterhaltet Euch mit Einheimischen.

Die Stadt, die Du bereist, hat sich Dir zur Verfügung gestellt. Erobere sie mit Deinem Partner oder allein. "Treibjagd" singt Udo Jürgens. Ziehe wie ein Magnet alles an, was zu Dir passt und lass den Augenblick geschehen und beobachte das Treiben. Organisiere nicht alles. Momentum ist das hier und jetzt. Das menschliche Gehirn besitzt keinen objektiven Zeitmesser. Daher schätzen wir die Zeit, die vergeht, sehr unterschiedlich ein.

Ganz anders sieht die Sache im Nachhinein aus - also wenn man auf Erlebtes zurückblickt. Dann greift das sogenannte Zeitparadox: Ereignisarme Zeiten, die wir seinerzeit als lang erlebt haben, schnurren in der Erinnerung zusammen, rasant vergangene wichtige Erlebnisse nehmen gedanklich plötzlich viel mehr Raum ein.

Und sobald es um Jahre und Jahrzehnte geht, haben ältere Menschen den Eindruck, dass die Zeit immer schneller verflogen ist. Denn wichtig ist nicht die pure Zahl der Ereignisse, schließlich erlebt auch ein Erwachsener noch eine Menge, sondern ihre emotionale Bewertung:
Emotionsgeladenen Ereignisse sind in der Jugend meistens dichter gesät als im Alter. Das gilt für positiv wie für negativ empfundene Erlebnisse: Auch Zeiten, die von Krisen und Depression gekennzeichnet sind, kommen uns im Nachhinein länger vor.

Der 11. September ist 13 Jahre her.
Prinzessin Diana ist bereits 17 Jahre tot. Den Euro haben wir zwölf Jahre und die Mauer ist sogar schon 25 Jahre weg.

Zeit Verlangsamen ist möglich.
In diesem Sinne, Herzlichst Euer Frank

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