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Wirtschaftskriminalität: Der Fraudster...

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Was ist ein Fraudster, wird sich der in praktischen Ausübung von Wirtschaftskriminalität unerfahrene Leser dieser kleinen Kolumne vielleicht fragen? Ein Krimineller, der sich in der Wirtschaft umtut, um dort sein Unwesen zu treiben. Jemand, der zum Schaden seiner Organisation dolose Handlungen (= Straftaten) begeht, heißt Fraudster oder auch schlicht deutsch Wirtschaftskrimineller.

Die Statistik dazu geht ungefähr so: Männlich, Anfang bis Mitte 40, gute Ausbildung, in der Regel Studium, mittlere oder höhere Managementposition in der Firma, scheint ökonomisch und gesellschaftlich gut eingegliedert und ist insoweit unauffällig, keine relevanten Vorstrafen außer vielleicht zu schnelles Autofahren oder Falschparken. So betrachtet, ist der Verfasser dieser Zeilen der beste Kandidat für einen Wirtschaftskriminellen (ausgenommen Falschparken).
Die Frage, um die es heute geht, ist die danach, ob man mit solchen Statistiken weiterkommt; auch wenn der Leser das Ergebnis vielleicht schon ahnt...

Denn dann gibt es plötzlich die BuchhalterIn, Anfang zwanzig, unverheiratet, keine so tolle Ausbildung, nicht so richtig ökonomisch und gesellschaftlich integriert, und sie unterschlägt Geld der Firma, für die sie arbeitet. Ihre Motive sind auch nicht die einer klassischen Wirtschaftskriminellen, nämlich Gier, sondern die Vermeidung eines Gesichtsverlustes. Also wirklich kein klassisches Motiv, zumal es nicht um ihr Gesicht geht, sondern um das eines Verwandten, der sich bei einem Kredithai Geld geliehen hat und der wiederum nun alles mit üppigen Zinsen zurückhaben will; die wiederum hat der Verwandte nicht, und darum gibt sie ihm das Geld.

Vergessen Sie also die Statistik. Es klauen schließlich auch Leute Kleinstbeträge, die ein sechsstelliges Einkommen haben. Dem Autor dieser Zeilen hat ein ehemaliger Geschäftsführer nicht allzu weit von seiner Pensionierung entfernt (Einkommen im sechsstelligen Bereich plus üppige Zusatzausstattungen) auf die Frage, warum er für ein paar tausend Euro dies alles aufs Spiel gesetzt hat, geantwortet: ‚Gelegenheit macht Diebe.' So einfach kann es manchmal sein.

Natürlich gibt es die Klassiker, etwa den anderen Geschäftsführer, der sich unbedingt zwei Luxusschlitten, einen Aufschlag auf das Gehalt, einen zusätzlichen ungenehmigten Bonus, die Nutzung der Firmenreinigungskraft für das private Haus, üppige Spesenrechnungen privater Natur, von der Firma bezahlt, leisten mag... Das bekommt man aber vergleichsweise schnell heraus und kann es dann abstellen.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind auch nicht ausschlaggebend, ob jemand zum Wirtschaftskriminellen wird oder nicht. Es ist die Summe der Optionen, die jemand in seiner Funktion hat, verbunden mit seiner persönlichen Situation und einigen Charaktereigenschaften. So stiehlt nicht jeder, der die Möglichkeit dazu hätte. Andere stehlen, indem sie sich Möglichkeiten schaffen. So wenig also hält sich das Leben an die Statistik.

Muss man also aufgeben? Nein, der systematische Zugang zu fremdem Geld kann systematisch erschwert werden. Anti Fraud Management Systeme kann man auch mittelständisch auslegen, ohne dass damit ein großer Bohei und Bürokratismus verbunden ist. Trotzdem kann es wirksam sein. Und dann braucht man auch die Statistik nicht mehr.

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