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Ich liebe eines meiner Kinder mehr als das andere. Sie auch, geben Sie es zu!

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Als ich klein war, teilten meine Brüder sich ein Zimmer und schliefen in einem Stockbett, bis sie ungefähr zehn Jahre alt waren. Abends brachte mein Vater sie ins Bett und bevor er den Raum verließ, sagte er stets: "Ich liebe DICH am meisten!", während er gleichzeitig auf meinen Bruder im oberen und meinen Bruder im unteren Bett zeigte. Ich stelle mir gerne vor, dass jeder der Jungen in seinem Bett mit dem sicheren Gefühl einschlief, dass er das Lieblingskind ist. (Sie sind auf den Trick reingefallen... letztendlich.)

Mein Vater hat zugegebenermaßen immer einen Weg gefunden, unter uns Kindern einen Konkurrenzkampf zu entfachen.

Wer ist der beste Skifahrer? Ich! Ok, vielleicht mein mittlerer Bruder.

Wer weiß das meiste über so ziemlich alles? Mein ältester Bruder gewinnt diesen Wettkampf, ohne Zweifel.

Wer gibt die besten Fußmassagen? Wir sind viel zu oft auf diesen Wettstreit hereingefallen.

Wer ist das Lieblingskind?

Das ist eine knifflige Frage. Als jüngstes von drei Kindern und als einziges Mädchen, ist es sehr verlockend sofort zu rufen "ICH!" Aber ich weiß genau wie mein Vater, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. Ich habe keinen Zweifel daran, dass ich im Laufe der Jahre viele Male das Lieblingskind gewesen bin. (Zum Beispiel, als ich an das alte College meines Vaters gegangen bin, oder als ich mit ihm Ski- und Campingausflüge gemacht habe, lange nachdem meine Brüder zu cool waren, um mitzufahren. Und jedes Mal, wenn ich gesagt habe "ich liebe dich, Daddy" - so, wie es eben nur eine Tochter sagen kann.

Aber ich bin klug genug um zu wissen, dass es auch Momente gab, in denen meine Brüder, jeder auf seine Art, auf den ersten Platz in der Bewertung meines Vaters rutschten. (Ich weiß zum Beispiel, dass ich während meiner turbulenten Teenager-Jahre nicht das Lieblingskind war.) Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, ob das nun gut oder schlecht war, in dem die Frage nach dem Lieblingskind immer gestellt wurde. Jetzt bin ich selbst Mutter und verstehe es. Ich gebe es zu, ich habe ein Lieblingskind.

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Auch wenn es manchmal Momente gibt, in denen keines mein Lieblingskind ist...


Gestern Morgen, als mein Kleinkind um 5.30 Uhr aufwachte, nach mir schrie und jede meiner Bemühungen, ihn wieder zum Einschlafen zu bringen, in den Wind schlug, war er ganz bestimmt NICHT mein Lieblingskind. Als ich ihn aus seiner Krippe nahm und in Richtung Küche schlurfte, um einen Kaffee aufzusetzen, sah ich nach meinem älteren Sohn (der bis 7.45 Uhr schlief) und dachte, ohhh hallo mein Lieblingskind.

Später an diesem Morgen kletterte mein älterer Sohn (nicht ganz eine Stunde zuvor mein Lieblingskind) über die Küchentheke und stieß dabei eine Flasche Rotwein auf den Boden. Eine Stunde später war ich immer noch dabei, meinen weißen, langflorigen Teppichboden wütend von Rotwein und winzigen Glassplittern zu befreien. All das geschah, während mein Baby friedlich und ruhig in seinem Hochstuhl saß und seine Cheerios aß. Oh hallo, jüngerer Sohn! Wie sich herausstellt, lag ich vorhin daneben und in Wahrheit bist DU mein Lieblingskind!

Ein paar Stunden später hatte ich die geniale Entscheidung getroffen, mit beiden Kindern einkaufen zu gehen. Mein jüngerer Sohn (der noch keinen Mittagsschlaf gemacht hatte) rannte wie ein Wahnsinniger zwischen den Regalen herum, zog alles Mögliche heraus, machte beinahe ein Glas Oliven kaputt und vollendete seinen mustergültigen Auftritt mit einem Zwischenfall an der Kasse, der hauptsächlich aus dem wiederholten Schreien des Wortes "SÜßIGKEITEN!" bestand. In der Zwischenzeit blieb mein älterer Sohn ruhig an meiner Seite und half mir, die Überreste des wahnsinnigen Kleinkind-Tornados, der durch den Supermarkt gefegt war, wieder aufzuheben. Mein älterer Sohn hatte sich den ersten Platz offiziell zurück geholt.

Das hielt so lange an, bis ich meinen Sohn gestern Abend badete. Mitten in einem Wutanfall dachte er, es sei eine großartige Idee, einen Becher voll Wasser nach mir zu werfen, weil ich es gewagt habe, ihm die Farbe aus den Haaren zu waschen, die er sich im Kindergarten reingeschmiert hatte. Definitiv NICHT mein Lieblingskind.

Und dann ist gestern Abend etwas Wunderbares geschehen, so wie es eigentlich jeden Abend geschieht. Die Jungs waren sauber und in ihren Schlafanzügen und wir haben uns hingelegt und eingekuschelt, um ein paar Bücher zu lesen. Mein älterer Sohn zeigte auf Wörter, die er erkannte und mein jüngerer Sohn zeigte auf Bilder, die er erkannte. Und ich dachte DU bist mein Lieblingskind als ich mit beiden kuschelte. Und das kommt der Wahrheit jeden Tag am nächsten.

Also, ja, ich habe ein Lieblingskind. Es ändert sich täglich, stündlich und manchmal minütlich. Aber meine liebsten Mopmente sind die, in denen ich mich wirklich nicht entscheiden kann. Und es ist mein größter Wunsch, dass jeder meiner Jungs jede Nacht mit dem Gedanken einschläft, dass er das Lieblingskind ist. Vielleicht war mein Vater auf der richtigen Spur...

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