Quantcast
Channel: Germany
Viewing all articles
Browse latest Browse all 24594

Deutschland und China: Voneinander lernen und Erfolg haben

$
0
0
In der Weltgeschichte gab es zahlreiche Hochkulturen, die für Jahrhunderte Bestand hatten und nach dieser Blütezeit wieder versunken sind: Vom alten Babylonien beispielsweise über die Mayas in Mexiko bis hin zu den Khmer in der Region des heutigen Thailands und Kambodschas.

Aber nur in zwei Regionen haben sich Hochkulturen über Jahrtausende hinweg gehalten und die Welt beeinflusst: in China und im Mittelmeerraum mit Europa (denn auch die ehemaligen englischen Kolonien wie Nordamerika und Australien gründen originär ja auf europäischem Kulturgut).

Die Hochkultur China war Europa schon vor drei Jahrtausenden vielfach weit voraus - im Regierungs-, Verwaltungs- und Ordnungssystem etwa und auch technologisch: Papier und Buchdruck, Schubkarre und Schießpulver, Porzellan und Magnetkompass waren hier weit früher im Gebrauch. Ende des 14. Jahrhunderts pflanzten die Chinesen nahe Nanjing 50 Millionen Bäume, um eine Hochseeflotte zu bauen.

Kaiserliche Handelsschiffe fuhren bis nach Ostafrika - früher als die der Portugiesen. Riesige neunmastige Hochseedschunken gehörten dazu, bis zu 30.000 Mann umfasste diese Flotte. Erst ein knappes Jahrhundert später entdeckte Kolumbus mit drei Karavellen und einer Besatzung von 90 Mann Amerika.

Der Historiker Niall Ferguson fragte einmal: „Wo hätte im Jahre 1411 das Weltwirtschaftsforum stattgefunden?" Antwort: in Nanjing, China. Das Reich der Mitte als Mittelpunkt der Welt. Auch wenn China sich später für Jahrhunderte eher nach innen wandte, gründet seine Kultur immer noch auf diesem uralten Fundament. Vor diesem Hintergrund sind sein neuer Aufstieg und die Verschiebung der politischen und wirtschaftlichen Gewichte der Welt in den asiatisch-pazifischen Raum spannend zu beobachten - der neue Status quo ante.

Chinas Managementmodell als Quelle der Inspiration

Chinas Einfluss in der Welt wird weiter zunehmen. Und Deutschland als stärkste Volkswirtschaft in Europa ist automatisch ein wichtiger Partner für China - und umgekehrt. Dabei können beide voneinander lernen, auch um Unsicherheiten abzubauen, die Chinas wirtschaftliches Engagement in Deutschland leider teilweise hervorruft. Der erfolgreiche Einstieg chinesischer Investoren bei deutschen Mittelständlern - zum Beispiel Sany beim Betonpumpenhersteller Putzmeister oder Weichai Power beim Gabelstaplerhersteller Kion - trägt hierzu bei: Manager und Mitarbeiter dieser übernommenen Firmen berichten von positiven Erfahrungen und nutzen die Chance, neue Methoden und (Unternehmens-) Kulturen kennenzulernen.

In China entsteht derzeit eine neue Management-Kultur. Wie mein Partner-Kollege Charles-Edouard Bouée, COO und Asien-Chef von Roland Berger Strategy Consultants, in seinen Büchern "China's Management Revolution" und "Light Footprint Management" schreibt, entwickeln chinesische Manager eine neue, eigene Art der Unternehmensführung, die den Rahmenbedingungen in China besser entspricht als der "American Way". Bis der neue Managementstil ausgereift ist, werden sicher noch weitere 10 bis 15 Jahre vergehen. Schon zeigen sich aber unverkennbare Merkmale, zum Beispiel eine besondere Dynamik: Chinesische Manager sehen die Welt in permanenter Fortentwicklung. Sie schätzen Tempo, können aber auch "aggressiv geduldig" sein: sie beobachten und suchen nach neuen Chancen, behalten dabei aber die langfristige Entwicklung im Auge. Flexibilität ist ein weiteres Merkmal: Chinesische Manager planen gerne weniger exakt.

Dies erlaubt ihnen, mehrere Möglichkeiten gleichzeitig zu verfolgen und rasch auf äußere Veränderungen zu reagieren, statt in einem strategischen Korsett gefangen zu sein. Eine dritte Eigenschaft ist eine gewisse Konsensorientierung: In der volatilen und ungewissen Welt heute hilft die Verständigung mit Kunden, Zulieferern, Wettbewerbern, Behörden etc. Komplexität zu managen.

Seinen ersten Praxistest hat dieses chinesische Führungsmodell schon bestanden. 2008/2009, als die Wirtschaftskrise die übrige Welt im Griff hatte, erwies es sich als widerstandsfähig und hervorragend an das veränderte globale Wirtschaftsumfeld angepasst. Laut Roland Berger Partner Bouée wird es die zentrale Säule der Weiterentwicklung Chinas sein, so wie das amerikanische Managementmodell das Rückgrat der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA war. Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich Chinas Managementmodell in der globalisierten Wirtschaftswelt auswirken wird. Sicher ist, dass wir manches davon lernen können.

Von den Champions lernen - Geschäftsmodell Deutschland

Umgekehrt kann Deutschlands Business-Modell für China interessant sein. Es ruht vor allem auf drei Säulen:

1. Der gesellschaftlich-politische Rahmen: Die soziale Marktwirtschaft begründet das wirtschaftliche Handeln in Deutschland. Sie verknüpft die Dynamik des freien Wettbewerbs mit den Prinzipien Fairness und sozialer Ausgleich. Dieses System nötigt Unternehmer, Arbeitnehmer und Staat zur Zusammenarbeit und erwirkt gesellschaftliche Solidarität, bei maximalem Wohlstand für alle und freier Entfaltungsmöglichkeit für den Einzelnen. Der Staat sorgt durch gesellschaftlich anerkannte Spielregeln dafür, dass niemand Vorteile zu Lasten anderer erzielt. Zudem hat Deutschland in den letzten 15 Jahren etliche Reformen durchgeführt, etwa seinen Arbeitsmarkt flexibilisiert und die staatliche Altersvorsorge an die demographische Entwicklung angepasst. Davon profitiert die deutsche Volkswirtschaft noch heute, etwa in Punkto Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum Beschäftigung und bei der Wohlstandsmehrung und -verteilung.

2. Eine Wirtschaftspolitik, die Unternehmensaktivitäten fördert: Der vergleichsweise hohe Anteil von Industrie an der deutschen Wirtschaftsleistung nimmt noch zu. Das fördert die Exportstärke sowie Forschung & Entwicklung, zieht Investorengelder an und schafft qualifizierte Arbeitsplätze, auch im Dienstleistungsgewerbe. Der Staat unterstützt die Kooperation von Unternehmen untereinander sowie mit öffentlichen Institutionen bei Forschung und Entwicklung und fördert so Industrie-Cluster. Mit seinem vorbildlichen dualen Ausbildungssystem sorgt Deutschland zudem für eine exzellente, auf den Bedarf der Industrie zugeschnittene Qualifikation von Arbeitskräften. Auch diese sichert die hohe Produktivität deutscher Unternehmen und hat andere Länder dazu veranlasst, vergleichbare Ausbildungssysteme zu initiieren.

3. Weltklasse-Unternehmen als Rückgrat der deutschen Wirtschaft: Neben einer Reihe erfolgreicher Großkonzerne mit globalem Footprint wie etwa BASF, Volkswagen und Siemens begründen vor allem die rund 1200 Unternehmen des Mittelstands, darunter viele "Hidden Champions", den guten Ruf des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Mit einem Produktspektrum, das sich stark am Bedarf ihrer globalen Kunden orientiert, mit Innovationskraft und einer ausgeprägten Strategie zur Nutzung globaler Chancen, sind sie oft Weltmarktführer in ihren Markt- und Technologie-Nischen. Durch intensive Forschung & Entwicklung und innovatives Produkt- und Prozessmanagement konnten deutsche Firmen ihre Produktivität und internationale Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig steigern, und durch den systemimmanenten Konsens zwischen Unternehmen, Mitarbeitern und Gewerkschaften.

Welche Rezepte deutsche Unternehmen im Einzelnen nutzen, haben die Roland Berger Experten Martin Eisenhut und Ralph Lässig in ihrem Buch "Learn from the Champions - Patterns of success in German engineering" am Beispiel der deutschen Maschinenbaubranche analysiert: Für langfristigen Markterfolg setzen sie etwa auf eine klare Produktpositionierung, vor allem im hochpreisigen Premium-Segment. Dazu benötigen sie Technologieführerschaft, die sie durch eine innovative Technologiestrategie und überzeugende User-Economics erreichen. Ihr langfristiger Erfolg beruht auch auf effizienter Organisation und kontinuierlicher, leistungsorientierter Führung.

Sicher lassen sich weder all diese Rezepte auf chinesische Firmen übertragen, noch ist das neu entstehende chinesische Managementmodell 1:1 für deutsche Unternehmen anwendbar. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass Deutsche und Chinesen viel voneinander lernen können, wenn sie einander offen begegnen - auch durch gegenseitige Kapitalinvestitionen in ihre jeweiligen Unternehmen.

Bezugsquellen für die erwähnten Bücher finden Sie hier.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 24594

Trending Articles



<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>